Vom großen Meister lernen
Bei Kanagawa sind die Spieler Schüler eines großen japanischen Malers. Dieser macht es einem nicht unbedingt leicht. Die Regeln sind zwar eindeutig, aber es gibt zahlreiche Feinheiten, die die richtigen Entscheidungen zur Herausforderung machen.
Nr. 1259: Kanagawa | Spielwiese-Code | | G | 10 | | | |
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Was ist's?
Für wen?
Was braucht's?
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Hier hat unsere Testspielerin bereits eine lange Grafik oberhalb ihres Ateliers gelegt. Bild: spielwiese.at |
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Die Grafik der Schachtelrückseite zeigt bereits das Wesentliche: Aus der Schule (rechts oben) werden die Lektionskarten genommen und entweder in die Grafik oder ins Atelier gelegt. Für die besten Malschüler gibt es dafür Diplome (rechts unten) Illustration: Hutter/Iello |
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Die gute Nachricht
Ein stimmiges Spiel mit vielen Rafinessen in ein ungewohntes Szenario verpackt
Die schlechte Nachricht
Das Untereinanderschieben der Karten als Muss nervt gewaltig!
Rein ins Spiel!
Das erste Spiel wird als Proberunde abgehakt. Nicht weil die Anleitung unverständlich wäre oder der Spielmechanismus schwerwiegende Fragen aufwerfen würde. Nein. Nur streckt Kanagawa voller Feinheiten, die man erst in einem zweiten oder späteren Spiel alle begreift und für seinen Sieg anzuwenden weiß.
Das Spiel braucht eine gewisse Eingewöhnungsphase.
Und um es vorwegzunehmen: Kanagawa ist ein absoluter Hingucker mit einem unverbrauchten Thema, wunderschön gestaltet, als Spiel selbst bleibt es jedoch eine gewisse Originalität schuldig.
Als Schüler des großen japanischen Malers Hokusai (siehe „Rund ums Spiel“ unten) wollen wir von ihm lernen. Die japanische Malkunst pflegt ja ihren eigenen unverwechselbaren Stil, der hier insgesamt sehr gut rüberkommt und das Spiel optisch außergewöhnlich macht. Hokusai unterbreitet seinen Schülern Lektionskarten. Die liegen auf einer Reismatte (kein simpler bedruckter Karton, wie sonst) zur Auslage. Die Lektionskarten können entweder für die Grafik oder das Atelier verwendet, sprich angelegt werden. Auf den Lektionskarten gibt es unterschiedliche Symbole, die miteinander korrespondieren.
- Die Grafik zeigt Landschaften, Jahreszeiten, Personen, Tiere und Gebäude. Je länger die Grafik, desto mehr Punkte gibt es dafür am Schluss und eine lange Strecke an gleichen Jahreszeiten bringt weitere Punkte.
- Das Atelier des jeweiligen Spielers bildet gewissermaßen die Basis des Handelns. Im Atelier erweitern neu angelegte Karten die Möglichkeiten, die Grafik zu vergrößern. Dazu hängt es davon ab, wo, auf welchen Symbolen der Spieler im Atelier seine Malpinsel stehen hat. Beschränkt können diese Malpinsel auch versetzt werden.
Der aktive Spieler muss sich also immer entscheiden, wo er eine neue Lektionskarte anlegen will. Zuvor lautet noch die Herausforderung welche Lektionskarte er überhaupt nimmt. Da ist der jeweilige Startspieler im Vorteil. Er hat die volle Auswahl. Der Glücksfaktor, welche Lektionskarten der große Hokusai gerade zu verteilen gedenkt, ist für alle gleich.
Weil wir uns in einer renommierten Malschule befinden, schließen wir sie natürlich mit Diplomen ab. Sie bringen am Ende zusätzliche wertvolle Punkte. Diplome gibt es in sieben verschiedenen Kategorien, zum Beispiel erhält ein Spieler neun Punkte, wenn er drei gleiche Personen in seiner Grafik untergebracht hat. Die größte Herausforderung bei Kanagawa ist, den richtigen Zeitpunkt zu treffen, um ein Diplom zu nehmen. Denn in jeder Kategorie darf man nur ein Diplom erwerben. Hier spekulieren die Spieler damit, ihre Grafik oder ihr Atelier noch zu erweitern, um dann das „bessere" Diplom nehmen zu können. Das Warten kann jedoch in die Hose gehen, wenn ein Mitspieler es ebenfalls darauf abgesehen hat.
Das ist auch so ziemlich das einzige Element bei Kanagawa, bei dem man mit seinen Mitspielern irgendwie in einen "Kampf" gerät. Denn man spielt eigentlich für sich alleine. Wie erwähnt, es ist ein sehr ruhiges Spiel. Eben ganz japanisch, fast schon meditativ.
Worum es bei dem Spiel geht, macht schon auf der Schachtelvorderseite der von links unten hereinschwebende Pinsel (auf dem der Name der Illustratorin Jade Masch steht) deutlich: Hohe Malkunst. Das Spielmaterial und seine Ausgestaltung verbindet sich mit dem Thema auf beeindruckende Weise. Deshalb hat die Jury von Graf Ludo Kanagawa in diesem Jahr auch mit dem Preis „Beste Familienspielgrafik“ ausgezeichnet. Die Jury begründete ihr Votum so:
Bei Kanagawa finden wir die grafisch perfekte Umsetzung der Spielstory: Es geht um eine besondere Form der Malerei, nämlich jene von japanischen Rollbildern. Schon mit dem Cover erzeugt die Grafikerin eine Anmutung von japanischer Kunst. Man muss diese nicht kennen oder gar studiert haben, aber Jade Mosch besitzt und vermittelt treffend das Gespür für die Atmosphäre. Die Illustratorin bringt uns mit ihren Anleihen eine ursprüngliche japanische Kunst wieder vor Augen, die in unserem Kulturkreis in den vergangenen Jahren durch die Popularität der Mangas überlagert wurde.
Dabei bilden Motivik, zarte Farbwahl und der typische Strich der Pinselmalerei eine stimmige Einheit. So ist Kanagwawa nicht nur ein spielerisches, sondern auch ein ästhetisches Vergnügen.
Für das Gesamtkonzept hätte sich Kanagawa den fünften von sechs möglichen Punkten verdient, wäre da nicht die nervige Sache mit den Lektionskarten. Für die Aneinanderreihung der Lektionskarten, sowohl in der eigenen Grafik als auch im Atelier, müssen sie untereinander geschoben werden. Dazu sind sie zwar dünn, aber es ist eine frustrierende Futzelei, weil sich immer alles verschiebt oder die Malpinsel umfallen, die auf anderen schon ausgelegten Karten stehen. Schade, dass hier keine bessere Lösung gefunden wurde! Das trübt das Spielvergnügen absolut.
Nochmals spielen? Die erste Partie ist mehr ein Kennenlernen als ein strategisches Spielen. Nicht jeder Testspieler wollte danach seine Lernkurve steigern. Wer es tat, fand aber mehr und mehr Gefallen an den taktischen Feinheiten. |
Rund ums Spiel
Das Rezensionsexemplar wurde von Hutter zur Verfügung gestellt |