VERLAGE. Jetzt heißt es schnell sein: Am 18. April schließt der Aktuell-Spiele-Verlag seine Pforten. Anlass für uns, einen kleinen (Rück-)Blick auf den Nischenverlag und den Spielemacher Franz Joseph Scholles (Bild) zu werfen.
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Das Ende zeichnete sich ab. Klingt blöd, war aber so. Als spielwiese.at-Herausgeber Arno Miller 2017 auf dem Spielmarkt in Remscheid mit Fanz fachsimpelte, kündigte er seinen langsamen, aber bestimmten Rückzug bereits an. Jetzt ist es soweit. Er wird Ende des Monats 68.
Über 40 Jahre davon war der Franz Scholles (mit der Zeit wich das ph einem f, der zweite Vorname dem Initial, bis das dann überhaupt weggelassen wurde) als Spieleverleger und -autor mit eigenwilliger Handschrift tätig. Eigenwillig, weil er sich stets auf seine eigene Überzeugung und Weltanschauung verließ und sich thematisch auf Umwelt- und Beziehungsthemen konzentrierte. Aber der Reihe nach.
Mittlerweile ein Klassiker: Scholles' erstes Spiel Öko von 1980. Bild: Aktuell-Spiele-Verlag |
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1980 veröffentlichte Scholles Öko. Er bezeichnet es als das erste Umweltspiel in Deutschland. Tatsächlich erscheint das weit mehr beachtete, weil beim damals marktbeherrschenden Verlag Ravensburger herausgebrachte Ökolopoly von Kybernetik-Star Frederic Vester erst vier Jahre später. Er habe in den 1970ern zu den „Umweltbewegten“ gezählt, schildert Scholles in einer ausführlichen Vita auf kulturgutspiel.de seinen Werdegang. Er arbeitete als Diplom-Handelslehrer. Da war Monopoly quasi Pflicht. „Meine Idee war, nicht eine Größe wie bei Monopoly zu maximieren, sondern je drei Ressourcen im gesellschaftlichen und privaten Bereich zu optimieren. Schnell entstand ein Prototyp, der gut funktionierte.“ Öko kam auf Umweltschutzpapier aus der Schweiz und in der sogenannten Wittig-Rolle (wie bei Reinhold Wittigs Edition Perlhuhn) im Eigenverlag heraus, damals noch unter der Bezeichnung Öko-Vertrieb. Scholles: „Die damals zahlreichen ,alternativen Buchläden', aber auch viele neue Umwelt- und Dritte-Welt-Versender bestellten regelmäßig nach.“
Mehr Spiele waren eigentlich nicht geplant. Doch die Ideen sprudelten und die aufkommende Grünen-Bewegung lieferte reichlich Themen, die nach einer spielerischen Heranführung verlangten. Genzeit, Income, Eine-Welt-Spiel, um nur einige Titel hier zu nennen. Für den klassischen Spielwarenhandel war das nicht sonderlich geeignet. Daher tingelte Scholles zu den einschlägigen Veranstaltungen und Treffen.
Doch die Welt blieb nicht stehen. „In den 90er-Jahren verschwanden die alten Kunden vom Markt und ich musste mich neu erfinden. Die Autorin Deborah Tannen hat mit ihrem Buch ,Du kannst mich einfach nicht verstehen – Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden’ meine hausinterne Kommunikation verbessert und den Startschuss zu meiner Kommunikationsspiel-Phase gegeben. Als die Kommunikationsspiele starteten, passte Öko nicht mehr, der Aktuell-Spiele-Verlag war geboren. Meine neue Phase begann 1996 mit Na, typisch, es folgten Identity (1997), Generationen (2000), Paartie (2007), Liebesgeflüster (2009), Familiengeflüster (2011).“ Als sein „Alterswerk“ bezeichnet er Taboos, das 2012 erschienen ist. Ein hintergründiges Quartett, bei dem es um Do’s and Don’ts, eben Tabus im Alltag geht.
Es braucht so bunte Vögel wie ihn. Wo er seine Spiele feilbot, war sein Stand selten überlaufen. Aber auf eines konnte man sich bei einem Besuch immer verlassen: Auf ein anregendes Gespräch über die Vorgänge und Veränderungen in der Welt und dies weit entfernt von irgendwelchen Verschwörungstheorien. Vielmehr hat Franz Scholles sein Gespür für gesellschaftliche Umbrüche bewiesen und, in Spiele umgesetzt, geholfen sie zu erkennen und bestenfalls seine eigenen Schlüsse daraus zu ziehen.
„Leider funktioniert mein Verlag wohl nur mit mir, so dass ich keinen Nachfolger habe“, bedauert Franz Scholles. Nach dem 18. April 2021 findet man meine Spiele nur noch im Antiquariat.“ Er werde aber nicht gänzlich untätig bleiben. Das ist bei einem so regen Geist auch nicht vorstellbar. „Für 2022 bereite ich mit einer jungen Landschaftsarchitektin Drops vor – die zwei bis sechs Spielerinnen und Spieler planen ihren Reihenhaus-Garten spielerisch und überwiegend kooperativ.“
Neben dem Deutschen Lernspielpreis 2004 erhielt Scholles 2001 für sein Lebenswerk den Göttinger Inno-Spatz. Am 18. April lässt er den Rolladen herunter, der Onlineshop schließt, die letzten Exemplare können ab 5 Euro gekauft werden und Franz verabschiedet sich in den Ruhestand.
spielwiese.at wünscht Alles Gute!
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