Nürnberg. Spielwarenmesse 2018. Tag 5. Was einem so ein- und auffällt.
3. FEBRUAR 2018
Es musste über kurz oder lang so kommen: Spiele mit der Amazon-Sprachmaschine Alexa. Dass ausgerechnet der eher konservative Spieleverlag Noris der erste (und bisher einzige) ist, überrascht.
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Zwei Spiele sind in der Pipeline, es gehe noch um letzte Entwicklungsabstimmungen, und sie sollen noch vor dem Sommer im Handel sein. Es wird sich spieletechnisch um leichte Kost handeln. Das Wimmelbildspiel Schau schau war in Nürnberg schon als Prototyp auszuprobieren: Alexa fragt zum Beispiel, auf welcher Karte sich zwei Lebensmittel und zwei Fahrzeuge befinden. Die Spieler müssen mit einer Farbe antworten – der Hintergrundfarbe der Karte, auf der die gesuchten Gegenstände abgebildet sind. Alexa „weiß“, ob die Antwort richtig oder falsch war.
Beim zweiten Spiel wird mit bzw. gegen Alexa Mau Mau gespielt.
Beide Spiele können auch ohne den Sprachassistenten von Amazon gespielt werden.
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Wenn innerhalb weniger Arbeitsstunden hunderte neue Spiele, wie eben hier in Nürnberg auf einen niederprasseln, bleiben Überraschungen nicht aus. Ich meine das in dem Sinn, dass der erste Eindruck schon auf der Messe täuschen kann: Schaut aus wie, ist aber ganz was anderes …
Wahllos herausgegriffen, wie es mir gerade einfällt:
Fairy Tiles (Iello) klingt vom Namen her schon märchen- und daher kinderhaft. Und tatsächlich spielen eine Prinzessin, ein Ritter und ein Drache die Hauptrollen. Das Spiel ist jedoch alles andere als Kinderkram.
Besonders krass, finde ich, ist der Fehlgriff (oder soll ich sagen: die Irreführung?) bei der Schachtelgrafik von Tic Tac Moo (Huch). Ist doch eindeutig ein Kinderspiel, oder? Nein. Es ist ein beinharter Taktikwettskampf von zwei (erwachsenen) Spielern.
Ravensburger. Die Oberschwaben haben in der Regel ein gutes Händchen mit ihren Covern die passende Zielgruppe anzusprechen. Okay, bei der Neuheit Woodlands steht ab 10 Jahre drauf, doch das Cover vermittelt mit Zwergen, Wolf und anderen Märchenfiguren aufs Erste den Eindruck eines Kinderspiels. Das ist es mitnichten, auch wenn es bei dem Spiel tatäschlich um Rotkäppchen und Co geht!
Bei Krass kariert von Amigo folgt die Illustration offenbar dem Namen, vielleicht ist es aber auch genau umgekehrt. Anyway! Der karierte Hintergrund der Zahlenkarten und der Schachtel haben jedenfalls gar nichts mit dem Spiel zu tun.
Solche "Irritationen" sind alles andere als ein neues Phänomen. Die Reihe ließe sich in Ellenlänge mit Spielen der vergangenen Jahre fortsetzen. Bei uns in der Jury zum Graf Ludo, mit dem die besten Spielegrafiken ausgezeichnet werden, gibt es Jahr für Jahr leidenschaftliche Diskussionen gerade zu dem Punkt, ob der erste Eindruck der Schachtelvorderseite a) den Spieleinhalt widerspiegelt und/oder b) die Zielgruppe trifft oder nicht. Eine Zuordnung ist nicht immer zweifelsfrei möglich, weil manche Spiele sich an der Grenzlinie zwischen Familien- und Kinderspiel bewegen.
Fakt ist allerdings auch, dass ein Spiel im Laden nur eine einzige Chance hat zur Kasse getragen zu werden. Stellt sich dann zuhause heraus, dass Versprechen und Wirklichkeit nicht zueinander passen, ist der Käufer verärgert.
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Sprache ist nichts Starres. Es ist ganz normal, dass neue Begriffe auftauchen und dann auch sehr schnell in den Sprachgebrauch einziehen. Hier in Nürnberg sticht dieses Jahr die Bezeichnung „Lokalisierung“ heraus. Gemeint ist: Ein Spiel hat in den USA, in Asien oder anderswo Erfolg und wird als deutsche Ausgabe „lokalisiert“ – oder umgekehrt als amerikanische usw. Das Wort "Lokalisierung" hat dieses Jahr mehrfach in die Pressetexte gefunden, die oft auch ungefiltert an Otto Normalverbraucher weitergegeben werden. Wir werden uns also, vermutlich recht schnell daran gewöhnen. Schließlich wird ein immer größerer Teil der Spiele von vornherein für mehrere Märkte gleichzeitig entwickelt und produziert.
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Jumbo, einst eine fixe Größe bei Autorenspielen, kehrt auf die Bühne zurück. In Nürnberg wurden vier neue Spiele vorgestellt, darunter Okavanga des Autorenduos Michael Kiesling und Wolfgang Kramer, Die verbotene Stadt von Reiner Knizia. Schaut vielversprechend aus. Die Spiele sollen gegen Sommer auf den Markt kommen.
Der Plan, so Jumbo-Chef Pieter Coelewij zu spielwiese.at, einige der früheren Jumbo-Klassiker wiederzubeleben, sei endgültig begraben: „Warum etwas aufwärmen, wenn es tolle neue Spiele gibt …“
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