Spielwiese-Test 1106: Lancaster
Streitbarer König
Die Spieler begeben sich ins 15. Jahrhundert, um in der Gunst ihres jungen Königs Heinrich V. von England zu reüssieren. In den einzelnen Grafschaften gibt es viel zu holen und ein paar Scharmützel zwischendurch mit Frankreich bringen weitere wertvolle Machtpunkte.
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Lancaster aus der Vogelschau. Bilder: Queen, Die Spielwiese |
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Zu Beginn steht Arbeit: Die Ritter wollen beklebt werden. |
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Eines der neun Countys: In Gloucester können nur Ritter mit einer Mindesstärke von 3 platziert werden, es winken Adelige und als Ertrag die Aufwertung eines Ritters sowie zwei Stimmsteine. |
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Das Castle eines Spielers: Auf den grauen Feldern können ebenfalls Ritter platziert werden, um Knappen, Gold oder Stimmsteine zu erhalten. |
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Das Parlament: oben die drei gültigen Gesetze, unten drei zufällig aufgedeckte Gesetze, über die abgestimmt werden muss. | ||
Wer sich auf einen Konflikt mit Frankreich einlässt (die Karten rechts), stellt einen seiner Ritter daneben. Als Belohnung seines Mutes darf er sich sofort den Vorteil einer Gunst (blaue Plättchen) sichern. |
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Leben und Wirken des englischen Königs Henry V. gehören zu den schillerndsten Kapiteln der britischen Krone. William Shakespeare widmete diesem König ein eigenes Drama. Aus englischer Sicht hatte sich Heinrich V. oder auch Harry of Lancaster genannt vor allem um zwei Dinge verdient gemacht: er konnte die englischen Adelshäuser befrieden und er nahm den unter seinem Vater und Vorgänger Henry IV. "eingeschlafenen" Krieg gegen Frankreich wieder auf und konnte hier zumindest kurzfristig ein paar Erfolge feiern.
Beide Themen finden sich auch in diesem Spiel von Matthias Cramer: "Die Spieler wollen vom einfachen Lord zum mächtigen Verbündeten des Königs aufsteigen. Das gelingt durch den Ausbau der eigenen Ritterschaft sowie den geschickten Einsatz der einzelnen Ritter in den Counties Englands, im eigenen Castle und bei den Konflikten mit Frankreich", heißt es unter Spielziel.
Spielautor Cramer schmiedet dazu einige bemerkenswerte Mechanismen. Vorneweg wollen wir aber nicht verschweigen, dass das Spiel insgesamt überladen ist. Das bezieht sich vor allem auf die erste Phase jeder der fünf Runden.
Ritter als zentrale Instrumente
Die Spieler starten mit jeweils zwei Rittern. Sie sind das zentrale Instrument von Lancaster. Nacheinander setzen die Spieler jeweils einen Ritter ein, bis kein Spieler mehr Ritter besitzt – bei fortschreitendem Spiel kann die Anzahl der Ritter von Spieler zu Spieler variieren. Es gibt drei möglich Orte, um Ritter einzusetzen und sich damit Vorteile zu verschaffen:
- in einem der neun Countys (Grafschaften) auf dem Spielplan, die einen Teil Englands abbilden. Wer bei der Wertung der Herrscher eines Countys ist, zieht daraus mindestens einen bestimmten Nutzen
- im eigenen Castle: das ist ein Spieltableau, das jeder Spieler vor sich liegen hat. Auch hier warten Vorteile, je nachdem wo im Castle man einen oder mehrere Ritter platziert
- auf einem der Konfliktfelder, die den Krieg mit Frankreich symbolisieren.
In den Countys geht es vor allem um Nachschub. Wer beispielsweise Suffolk besitzt, kann einen weiteren Ritter zu sich nehmen. Der Herrscher von Stafford wiederum kann einen seiner Ritter aufwerten. Ritter sind nämlich nicht gleich stark (man startet mit je einem Ritter der Stärke 1 und 2, Ritter können bis zur Stärke 4 "wachsen"). Das spielt nicht nur im Kampf gegen "Frankreich" (dazu später) eine Rolle, sondern auch beim Machtanspruch in den einzelnen Countys: ein Ritter mit der Stärke 3 verdrängt einen Ritter 1 oder 2 aus demjenigen County, in dem sich ein anderer Spieler bereits niedergelassen hatte. Dem nicht genug – und nun sind wir bei der gewissen Überladenheit –, man kann seinen Rittern auch noch Knappen beigeben. Das erscheint zwar anfangs durchaus schlüssig, aber warum jeder einzelne Knappe denselben Stärkegrad wie "sein" Ritter aufweist, geht an der Realität doch vorbei. Vor allem aber führt das dazu, dass zeitweise ein wahres Gerangel um bestimmte Countys entsteht, das Lancaster etwas schwer berechenbar macht. Vertriebene Ritter kommen zu ihrem Besitzer zurück, und der Grundregel nach müssen diese später wieder eingesetzt werden. Mithilfe von Knappen (sofern man noch welche hat) geht der Schlagabtausch da oft wieder von vorne los.
Der Autor hat das so gewollt, man muss es akzeptieren. Mit diesem Hin und Her verlässt Lancaster allerdings die Bahn eines "straight" durchdachten Strategiespiels.
Junge Demokratie
Zu den originellen Elementen des Spiels gehört sein Parlament. Es bildet die zweite Phase von Lancaster und spielt sich auf einem eigenen Tableau ab. Das zeigt in der oberen Reihe die drei zur Zeit gültigen Gesetze, unten drei Gesetze, die zur Abstimmung anstehen. Gesetze sind Karten mit Regeln. Zwei Beispiele: "Der Spieler mit dem meisten Gold darf einen eigenen platzierten Ritter aufwerten" (also dessen Stärke erhöhen), oder "Für je 3 Countys mit eigenem Ritter erhält man 8 Machtpunkte". Über jedes der drei anstehenden Gesetze findet eine eigene Abstimmung unter den Spielern statt. Findet ein neues Gesetz die Mehrheit, verdrängt es eines der zu diesem Zeitpunkt gültigen Gesetze, rückt also nach. Über diesem Mechanismus verschaffen sich die Spieler je nach Situation eine bessere Ausgangsposition für die folgende Ertragsphase oder weitere Aktionen. Sie versuchen damit natürlich auch zu verhindern, dass ein Mitspieler in den Genuss eines Ertrages kommt.
Die Spieler wählen für ihre Abstimmung geheim ihr Ja- oder Nein-Stimmplättchen, und können ihr Ansinnen außerdem noch mit zusätzlichen Stimmsteinen unterstreichen, wenn dann gleichzeitig die Faust geöffnet wird.
Wahl zwischen zwei Erträgen
Damit kehren wir indirekt, weil alles miteinander verzahnt ist, in Phase 1 zurück, das Platzieren der Ritter. Wer beispielsweise seinen Ritter in Gloucester stehen hat, kann nicht nur einen seinen Ritter aufwerten, sondern erhält zusätzlich zwei Stimmsteine. Herrscher in York zu sein, bringt ebenfalls zwei Stimmsteine, aber einen zusätzlichen Ritter aus dem Nachschub. Ähnliche Erträge winken auch durch Felder, die im eigenen Castle mit einem Ritter besetzt werden können.
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Tafelrunde eines Castles: Je mehr verschiedene Adelige gesammelt werden, desto mehr Machtpunkte gibt es. | |
Außerdem, und das ist ein spielentscheidender Punkt, gibt es in den Countys neben solchen geschilderten Erträgen auch Adelige für die eigenen Tafelrunde zu holen. Man muss sich entscheiden: Will ich den Ertrag oder den Adeligen? Zahle ich drei Gold, kann ich beide Vorteile lukrieren. Jeder Adelige (je nach Spieleranzahl gibt es davon in jedem County zwei bis vier Stück) bringt zuerst einmal einen Stimmstein. Viel wichtiger sind allerdings die Machtpunkte, die am Spielende winken. Ein Adeliger allein bringt gar keinen Punkt, zwei verschiedene einen Punkt, und nach oben hin wird's immer besser! Sechs verschiedene Adelige, die man gesammelt hat, bringen beispielsweise 15 Machtpunkte, sieben 21, acht 28 und das Maximum von neun verschiedenen Adeligen satte 36 Machtpunkte. Die Vielfalt macht's, und dementsprechend muss man auf der Hut sein, beim Platzieren seiner Ritter in den Countys die (letzten) entsprechenden Adeligen nicht zu verpassen.
Scharmützel mit Frankreich
Bislang haben wir uns quasi mit den innenpolitischen Verdiensten von Heinrich V. beschäftigt. Nun war, wie schon berichtet, der gute Mann aber auch Feldherr und wollte sich die französische Krone aneignen. Das führt uns zur dritten Möglichkeit, einen Ritter zu platzieren, nämlich auf die Konfliktfelder mit "Frankreich". Auch dort liegen, wie im Parlament die Gesetze, Symbolkarten. Sie zeigen als Erstes einmal die imaginäre Stärke von Frankreich in einem abzuhandelnden Konflikt. Hat Frankreich zum Beispiel die Stärke 5, müssen dem die Engländer Ritter mit einer gemeinsamen Stärke von mindestens 5 entgegensetzen. Maximal drei Spieler können sich an einem Konflikt beteiligen, wobei es ihnen erlaubt ist, einem gesetzten Ritter noch einen oder weitere Ritter regelrecht draufzusetzen. Auch hier geht es um Machtpunkte: Der Spieler mit der insgesamt höchsten Rittermacht im Konflikt erhält in diesem Beispiel vier Machtpunkte, der zweihöchste zwei Machtpunkte, der dritte einen.
Der Autor ist offenkundig ein Freund Englands. Den Inselbewohnern wird nämlich, sollte Frankreich in einer ersten Auswertung gewinnen, eine zweite Chance eingeräumt. Die Konfliktkarte bleibt für die nächste Runde liegen, die Spieler können nachbessern. Gewinnt auch dieses Mal Frankreich, geraten die beteiligten Ritter in Gefangenschaft, sind jedoch nicht endgültig verloren. Eine ziemlich ungerechte Sache.
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Startspielerstein. Wer neuer Startspieler wird, entscheidet der Herrscher von Surrey. | |
Insgesamt erlaubt das Austragen der Konflikte einige taktische Finessen. Die ersten, die sich an einem Konflikt beteiligt, hat zumindest einen Sofortgewinn: er darf sich eines der sechs offenen Gunstplättchen des Königs aussuchen und damit sofort entweder einen Ritter aufwerten, ein Adeligenplättchen nehmen, erhält Gold oder Knappen. Das entsprechende Gunstplättchen wird dann umgedreht und steht erst in der nächsten Runde wieder zur Verfügung. Und selbst bei einem vorläufigen Sieg Frankreichs werden mit Ausnahme des höchsten angegebenen Wertes Machtpunkte verteilt. Wie schon gesagt, nicht wirklich gerecht, und man fragt sich, ob das Spiel in Frankreich verkäuflich ist.
Fazit
Trotz der geschilderten Eigentümlichkeiten ist Lancaster ein spannendes Brettspiel, das zuerst einmal einen guten Überblick erfordert, wo etwas zu holen ist. Der Konfliktbereich mit "Frankreich" wird dabei als Einnahmequelle für wichtige Machtpunkte von vielen Spielern unterschätzt. Die Konflikte, vor allem aber der Spieleinfluss über das Parlament sind bereichernde Elemente im Segment geschichtlich angelehnter Spiele. Ein weiterer Pluspunkt ist die plastische Grafik von Martin Hoffmann und Claus Stephan von der Schachtelvorderseite über den Spielplan bis hin zu den kleinen Illustrationen im Detail des Materials.
Allerdings, und das ist bei einem Spiel dieser Klasse und Preisklasse ein großes Ärgernis: Die Spielanleitung ist schlecht. So ist etwa bei der Fülle an unterschiedlichen Spielmaterialien mit einer alleinigen Auflistung (noch dazu unterteilt in "Allgemeines Spielmaterial" und "Spielmaterial der Spieler") Anfängern nicht geholfen. Im Beiblatt, das Spielmaterial und Aufbau erklären soll, gibt es zwar ein paar Grafiken, dennoch muss man sich zusammenreimen, was denn was genau ist. Das Konzept war vielleicht gut gemeint, aber unbefriedigend gelöst.
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Nr. 1106: Lancaster |
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Spielwiese-Code | |
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Themen: England, Frankreich, Geschichte
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Auszeichnungen
Rund ums Spiel
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