Der Ruf des Posthorns
Ein intelligentes Spielvergnügen zu einem sehr fairen Preis.
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Von der Auslage werden die Städtekarten ausgewählt, um damit Reihen auszulegen, die die Postkutschenverbindungen im 16. Jahrhundert darstellen. |
Briefe zu verschicken und zu empfangen zählt für uns zu den selbstverständlichsten Dingen des Alltags. Aber irgendwann musste einmal zuerst auf das System kommen, damit es funktioniert. Das war Franz von Taxis, der den Auftrag dazu 1490 von Maximilian I. erhielt, die Kurierdienste zwischen seinen Residenzen zu organisieren.
Karen und Andreas Seyfahrt (siehe Kasten) lassen diese Zeit bzw. diese Anfänge des modernen Postwesens wieder aufleben. So gekonnt, dass Thurn und Taxis zum Spiel des Jahres 2006 nominiert wurde. Zu Recht hat es die wichtigste Auszeichnung der Spielebranche auch erhalten.
Weder die Spieldauer von einer guten Stunde noch das viele kleinteilige Material sollte einen abschrecken. Er wird mit einem Brettspiel der höheren Klasse belohnt, das nur anfangs unübersichtlich und kompliziert erscheint. Man ist sehr schnell in dem im Grunde doch einfachen Spielmechanismus drin.
Das heißt keineswegs, dass Thurn und Taxis zu spielen ein Klacks wäre. Es gibt genug, was man dabei im Auge behalten muss, und es gibt mehrere Möglichkeiten zum Sieg zu kommen.
Ausgangslage
Schauen wir uns zuerst einmal die Ausgangslage an. Wir haben den Spielplan auf den Tisch gelegt, der uns im Stil einer alten Landkarte Bayern und einige angrenzende Länder zeigt. Darauf verteilt sind zur damaligen Zeit bedeutende Städte, immer durch ein historisches Gebäude dargestellt. Ein Wegenetz verbindet die Städte. Für jede dieser Städte gibt es drei Karten. Der Stapel wird gemischt und sechs Städte kommen in die Auslage.
Die Länder sind unterschiedlich groß, d.h. sie haben unterschiedlich viele Städte, und danach richtet sich, wie viele und in welchen Werten Bonusplättchen zum Abholen bereit liegen. Zu einem Postspiel gehören natürlich auch Postkutschen, davon aber später.
Der Sinn des Ganzen
Um zu gewinnen, muss man am Ende die meisten Punkte gemacht haben. Die erringt man, indem man möglichst schnell lukrative Poststrecken "baut". Eine Poststrecke ist so zu sagen in Betrieb, wenn man alle dafür benötigten Städtekarten vor sich ausgelegt hat. Jeder Spieler beginnt mit einer einfachen Strecke, die mindestens drei Städte verbindet, danach kommt eine Strecke mit vier Städten usw. Als Beweis, dass die Strecke gebaut wurde, erhält man eine Postkutsche (Karten) mit der entsprechenden Anzahl an Pferden. Auch diese Karten bringen wertvolle Punkte.
Wo ein Spieler seine Poststrecke in Angriff nimmt und wohin sie führt, ist ihm überlassen. Er braucht dazu zum Einen nur das entsprechende Kartenglück und zum Anderen eine Portion Weitsicht. mitunter auch Mut.
Der Ablauf
Jeder Spielzug läuft nach dem selben Muster ab. Zuerst muss man eine Städtekarte auf die Hand nehmen - von der Auslage oder vom verdeckten Stapel. Danach muss er eine Städtekarte vor sich zum Bilden oder Verlängern seiner aktuellen Poststrecke ablegen. Danach könnte er werten, wenn seine Poststrecke die Mindestanforderungen erfüllt hat.
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Der Münchner Andreas Seyfahrt hat nicht viele, aber durchwegs außergwöhnliche Spiele erfunden. Mit Manhattan errang er 1994 den Titel Spiel des Jahres. Für Spielfreaks hätte dieser Titel auch Puerto Rico gehört. Thurn und Taxis ist sein neuestes ausgeklügteltes Werk, das er mit seiner Frau Karen entwickelt hat. |
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Das wär's dann eigentlich auch schon, was man einhalten muss. Alles andere ist das Salz in der Suppe, das Thurn und Taxis zum gelungenen Spiel macht. In jeder Runde darf der Spieler eine, aber nur eine unterstützende Aktion in Anspruch nehmen.
Nimmt er den Postmeister, darf er zwei statt einer Städtekarten nachziehen. Nimmt er den Postillon, darf er zwei statt nur einer Städtekarte zum Bau verwenden.
Entscheidet sich ein Spieler für den Amtmann, werden alle sechs Städte in der Auslage durch neue Karten vom Nachziehstapel ersetzt. Der Spieler wird sich mit dieser Aktion in vier von fünf Fällen außerdem den Zorn seiner Mitspieler zuziehen, da fast immer jemand damit spekuliert, als Nächster eine der ausliegenden Städte zu bekommen.
Besonders stark und von vielen Spielern unterschätzt ist die Rolle des Wagners. Er erlaubt es, eine Poststrecke abzuschließen und zu werten, obwohl man ein oder zwei Städtekarten weniger als gefordert ausliegen hat. Da das Spiel endet, wenn die 7er-Postkutsche verteilt ist, macht es gerade dann Sinn sich für den Wagner zu entscheiden, um damit zu dem Zeitpunkt ein vorzeitiges Ende herbeizuführen, an dem man mutmaßlich in Führung liegt, ein oder mehrere Spieler einem aber dicht auf den Fersen sind. Nur wer in der laufenden Runde noch nicht an der Reihe war, darf dann noch seinen letzten Spielzug ausführen.
Eine Strecke vollenden und werten
Damit haben erfahrungsgemäß einige Spieler ihre Probleme, obwohl auch dieser Punkt eigentlich eindeutig ist. Es braucht für die erste Strecke mindestens drei Städte, für die nächste vier usw. Das wurde schon gesagt. Jetzt kommt es aber darauf an, wie die Strecke verläuft. Sind zum Beispiel nur Städte innerhalb Bayerns verbunden, ist alles ganz einfach: Auf jede dieser Städte setzt der Spieler eines seiner Holzhäuschen in seiner Farbe.
Verläuft die Strecke aber über eine oder mehrere Ländergrenzen - Beispiel: Innsbruck-München-Augsburg -, muss sich der Spieler entscheiden:
- nur in einem der Länder Häuser auf den jeweiligen Städten zu platzieren - Beispiel: nur Innsbruck oder nur München und Augsburg
- oder in jedem Land nur auf einer Stadt. In unserem Beispiel Innsbruck und München oder Innsbruck und Augsburg.
Denn es geht auch um die eingangs erwähnten Bonusplättchen. Hat ein Spieler alle Städte eines Landes besetzt, nimmt er sich das oberste Bonusplättchen. Das oberste bringt immer die meisten Punkte, die darunter folgenden immer einen Punkt weniger. So verhält es sich auch mit den Bonusplättchen, die man für das Fertigstellen von Poststrecken erhält: Wer als Erster einer 6er-Strecke errichten konnte, bekommt das höchste Bonusplättchen für diese Kategorie.
Es ist also auch eine Frage des Tempos, mit wie vielen Punkten man am Ende da steht. Und wer das Spielende herbeiführt, erhält noch einen Siegespunkt extra.
Fazit
Thurn und Taxis zählt zu den besten Spielen, die in diesem Jahr erschienen sind. Für ein Entwicklungsspiel ist es außerdem ganz angenehm, einmal ohne Eroberungen oder andere martiale Anklänge spielen zu können. Nach zwei, drei Runden ist das Ganze im Fluss, auch wenn vielleicht noch nicht alle Möglichkeiten ausgelotet wurden. Das wird schon, denn trotz seiner Komplexität folgt Thurn und Taxis einfachen und schlüssigen Regeln. Nichts wirkt aufgesetzt.
Auch der Spannungsbogen stimmt: Wenn sich der Spielplan nach und nach mit den Holzhäuschen füllt, kann man gar nicht anders als zu wetteifern, vor den Anderen bestimmte Gebiete durch sein Postnetz zu erschließen und sich die meisten Punkte zu sichern.
Natürlich sind kleinere Länder schneller als größere zu erschließen, aber dafür gibt es eben auch weniger Punkte. Doch Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist. Trotz Kartenglück oder Kartenpech bestehen ausreichend Einflussmöglichkeiten. Für ein Spiel dieser Preisklasse wird sehr viel spielerischer Tiefgang geboten: Wer mehr als nur einmal pro Jahr spielt, das gerne tut und auch etwas Anspruchsvolleres schätzt, sollte Thurn und Taxis im Schrank haben.
Nr. 919: Thurn und Taxis |
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Spielwiese-Code | | G | 10 | | |
2006: Hans im Glück |
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Themen: Post, Verkehr
Preis-Leistungsverhältnis |
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-Service:Spielanleitung zum HerunterladenNotizblock der Kritiker: Was andere zum Spiel meinen |
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